Ein Praktikum im exotischen Ausland - Deutschland
Durch diverse Machmessen, Tagungen und Vorträge kann man sich nicht nur zusätzliches Fachwissen aneignen und mehr über die neuesten Trends erfahren, sondern auch viele interessante Personen aus Fachkreisen Kennen lernen. So kam es, dass ich bereits vergangenes Jahr im Rahmen einer landwirtschaftlichen Fachtagung in Salzburg einen Lohnunternehmer namens Kerovic Kennen lernen durfte. Er war Inhaber eines großen Lohnunternehmens in der Nähe von Dresden, recht sympathisch und so kam es, dass wir damals auch eine nächtliche Wirtshaustour quer durch Salzburg veranstaltet haben. Verdammt, kann der Typ saufen... Jedenfalls halten wir bis heute regelmäßigen schriftlichen Kontakt, diskutieren über dies und das und gaben uns gegenseitig fachliche Ratschläge. Unsere Kommunikation bestand im Grunde ausschließlich aus Schriftverkehr, um so verwunderter war ich also daher, als eines Nachmittages mein Telefon im Büro läutete und ich ihn am anderen Ende des Apparates begrüßte. Nach einem einleitenden Smalltalk teilte mir Herr Kerovic mit, dass sie vier mal im Jahr "Schnupperpraktikanten" für eine Woche aufnehmen würden und ob es mit meiner Arbeit vereinbar wäre, dieses mal doch nicht selbst aus reiner Laune und Interesse derjenige zu sein.
Nach anfänglichem Zögern wollte ich diese Erfahrung, einmal hinter die Kulissen eines großen Lohnunternehmens zu blicken, dennoch nicht missen und willigte ein. Daraufhin berief ich eine Besprechung mit meinen Mitarbeitern ein, schilderte ihnen den Sachverhalt und plante alle Geschehnisse durch und während meiner Abwesenheit. Auch ein würdevoller Vertreter wurde rasch gefunden. So konnte ich Kerovic noch am selben Tag zurückrufen und den genauen Termin vereinbaren. Zwei Wochen später war es dann so weit, ich packte meine Koffer, schwang mich in unseren Bus und trat die Reise Richtung Deutschland an.
Bei Dresden angekommen lotste mich das Navi weiter über Landstraßen und durch kleine Dörfer bis hin zum Betriebsgelände des Unternehmens. Das nahe gelegene Dorf sowie die gesamte Umgebung machte den Anschein, in der Zeit der DDR stehen geblieben zu sein, Auch das Betriebsgelände machte hier keine Ausnahme. Jede Ecke des Geländes versprühte Ostalgie pur. Ich fuhr durch das Tor auf das Gelände und parkte erst einmal vor dem am Tor befindlichen Verwaltungsgebäude. Dort wurde ich bereits von Szelko Kerovic gemeinsam mit einigen Mitarbeitern erwartet und freundlich begrüßt. Nach einer kurzen geschichtlichen wie technischen Präsentation im Gebäude ging es auf zu einem Hofgang. Hier stellte ich relativ rasch fest, dass dies mit unserem "bäuerlichen" Betrieb relativ wenig gemein hat und nicht zu vergleichen ist. Eine Großmaschine reihte sich am Gelände neben die andere, eine jünger, als die daneben. So sehr das Gelände auch Nostalgie zu versprühen mag, desto weniger tun es die Maschinen. Kerovic setzt auf einen großen und vor Allem modernen Fuhrpark. Ich kam in´s Schwärmen und Sabbern ob so mancher Giganten, die dort parkten.
Vom Claas Xerion 5000 über einen brandneuen Tucano kam ich aus dem Staunen garnicht mehr heraus. Bei den kleinen Traktoren jedoch konnte ich durchaus ein paar Zwillinge von uns entdecken - auch hier scheint sich der gute, alte Steyr einen Namen gemacht zu haben. In seiner Freizeit restauriert Szelko alte Oldtimertraktoren und gewährte mir auch einen Einblick in seine eigene, persönliche Werkstatt, von welcher nur er als Einziger einen Schlüssel besitzt, und präsentierte mir stolz sein aktuelles Projekt. Nach dem Rundgang wieder beim Verwaltungsgebäude angekommen, in welchem auch einige kleine Gästezimmer eingerichtet sind, lud ich mein Gepäck aus dem Transporter und bezog mein Zimmer.
Am nächsten Morgen schlenderte ich gerade mit Herrn Kerovic über das Gelände, als ich einen von Mitarbeitern gerade hergerichteten Fendt 936 Vario mit Zwillingsbereifung erblickte - ein unglaublicher Gigant! Ich ließ Szelko meine Begeisterung durchaus anmerken, denn plötzlich griff er in seine Tasche.
"Hier sind die Schlüssel.", meinte er, "Der Lemken Gigant steht in der Gerätehalle. Ankuppeln und raus mit dir. Das F4 eines Kunden gehört heute gegrubbert. Hier ist noch dein persönliches Tablet dazu, auf dem du alle Kundendaten findest und damit du weißt, wo du hinfahren musst". Mehr als ein "Bitte, was!?" bekam ich nicht heraus und kaum ließ meine Verwunderung nach wurde ich auch schon Richtung Traktor geschubst. Eine kurze Einweisung später und den Riesengrubber am Heck ging es auch schon hinaus auf die Landstraße und Richtung Kunden. Verdaaammt, ist der Fendt riesig! Ich hatte zwar anfängliche Schwierigkeiten, dieses kolossiale Gespann im Überblick zu behalten, aber schlussendlich konnte ich doch nach abgeschlossener Arbeit das Ding wieder in einem Stück am Hof parken. Die restlichen Tage gestalteten sich ähnlich, die Arbeit auf diesen riesigen Geräten machte mir einfach Spaß. Am folgenden Wochenende wieder zuhause in der Steiermark angekommen und die Koffer ausgepackt, setzte ich mich in mein Büro, schenkte mir einen Scotch ein und blätterte durch die Erinnerungsfotos.