Das Rad etwas zurückdrehen - reicht das?

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matador
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Das Rad etwas zurückdrehen - reicht das?

Post by matador »

Hallo Leute,

Im Thread "wo fängt der Modklau an - und wo hört er auf?" ist ja neben dem eigentlichen Thema auch eine Diskussion über die Verhältnisse in der Landwirtschaft aufgekommen. Was einigen Leuten nicht so gepasst hat, weil es für sie Off-Topic war. Deshalb habe ich jetzt für eine Diskussion in dieser Richtung diesen Thread aufgemacht.

Wie schon für Albert Wesker geschrieben, möchte ich das Rad nicht bis in die 50er/60er Jahre des vorigen Jahrhunderts zurückdrehen. Ich bin auch nicht gegen eine qualitative Weiterentwicklung der Landtechnik. Aber ich bin gegen 'immer größer'.

Es ist mittlerweile bekannt, dass die großen und schweren Maschinen den Boden so verdichten, dass er sich nicht mehr erholen kann. Ein Mähdrescher, der mit vollem Korntank über 30 ton. wiegt ist einfach ein Unding, man fährt ja auch nicht mit einem vollbeladenen Sattelzug in den Acker. Der zweite Effekt der übergroßen Maschinen ist, dass man sie nur auf entsprechend großen Feldern sinnvoll einsetzen kann. Dazu hat man erst vor einigen Jahren im Rahmen der Flurbreinigung Flächen zusammengelegt und Raine zwischen den Feldern entfernt.
Heute weiß man, dass das nicht gut war, da die Feldraine der Lebensraum für Kleintiere und Insekten ist (war :sadnew: ) und legt wieder Blühstreifen und Reisighaufen an. Es wird also das Rad bereits etwas zurückgedreht.

Die Idee, die Bearbeitung der Felder zu automatisieren ist ja schon viel älter, als vielen bewusst ist. In den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts - also vor rund 60 Jahren - experimentierte die Firma Eicher mit einem Motorpflug, der in zwei Richtungen arbeitete und in der Lage war, ein Feld ohne einen Fahrer zu pflügen. Das Experiment wurde dann wieder abgebrochen, da sich herausstellte, dass die Kontrolle des Motorpfluges sehr schwierig und nicht 100-%-tig möglich war.

Heute gibt es sehr viel bessere Möglichkeiten Elektronik oder (fast) KI einzusetzen, und es wird ja auch schon gemacht. Selbstfahrende Hackgeräte zur mechanischen Unkrautentfernung gibt es schon und man muß kein Unkrautvernichtungsmittel mehr dafür einsetzen. Und ich denke, in dieser Richtung ist noch viel möglich, aber der Gigantismus darf nicht weitergehen.

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Gerechte Verteilung der erzeugten Nahrungsmittel: Zuerst einmal muß es aufhören, dass ein so großer Teil der erzeugten Nahrungsmittel entsorgt wird oder schlimmstenfalls im Müll landet. Hier hätte ich einen radikalen Vorschag:

In den Ortschaften werden 'Restaurants' eingerichtet, die fußläufig zu erreichen sind. In diesen Restaurants - oder Kantinen - word die Bevölkerung zu einem fairen Preis versorgt/verköstigt. Wenn der Kantinenleiter weiß, wie viele Personen er zu versorgen hat, kann er die zu beschaffenden Lebensmittel viel besser und mit weniger "Reserve" berechnen, als es die Hausfrau kann, die ihre Familie zu versorgen hat. Das war Punkt 1.

Punkt 2 ist: wenn die Möhre verarbeitet ist, sieht niemand mehr, ob die gerade oder krumm war. Es fällt also der Anteil der aussortierten Lebensmittel weg, die nur wegen der Optik gar nicht erst in den Verkauf kamen oder von den Kunden nicht angenommen wurden.

Punkt 3 ist das Mindesthaltbarkeitsdatum. Wenn das überschritten ist, wird die Ware aussortiert, auch wenn sie noch ohne Gefahr verbraucht werden könnte. Wenn die Nahrungsmittel zentral zubereitet werden entfällt auch dieser Punkt.

So, und jetzt Ihr.


Gruß, matador

Edit don_apple: Thema von "Allgemeine Diskussionen" nach "Offtopic" verschoben, da es nicht direkt etwas mit dem Spiel zu tun hat.
"Früher war die Zukunft auch besser" (Karl Valentin).
Vielleicht sollten wir das Rad etwas zurückdrehen,
zumindest nicht weiter nach vorne. :hmm:
elmike
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Re: Das Rad etwas zurückdrehen - reicht das?

Post by elmike »

Guten Morgen,

Ich habe mich schon gewundert, wo der Thread hin ist ... aber er wurde, nicht zu unrecht, in den Offtopic-Bereich verschoben...

Das mit dem "immer größer" sehe ich ebenso kritisch wie Du, nur... wo die Grenze ziehen?
Vor allem Technik skaliert nun Mal sehr gut mit der Größe.
Ein 18t-Hänger wird weniger Ressourcen benötigen als drei 5.7t-Hänger, ein 300PS-Traktor weniger als drei 100PS-Traktoren, etc.
Vor allem: Es werden zwei Arbeiter weniger benötigt... wenn nicht gerade die Familie mit hilft, kostet das auch Geld.
Ich sehe durchaus Potential in der neuen Technik. Autonom arbeitende Klein-Maschinen könnten die vorhandenen Schläge besser ausnutzen, und im Falle eines Defekts würde nicht alles stehen, sondern nur ein kleiner Teil.
Aber auch die Maschinen werden Geld kosten, mit Sicherheit mehr als die "dumme" Alternative. Und das wird sich auch der kleine Familienbetrieb nicht so einfach leisten können. Hinzu kommen immer mehr und komplexe Gesetze und Regelungen.

Wie es so schon heißt: der Markt regelt das... und ich denke, das sieht man hier auch: Wo die Schläge es erlauben, fahren riesige Geräte, vollgestopft mit Technik... das sind aber dann für mich auch keine Höfe mehr, das ist Industrie.
Und hier, wo die Schläge oft genug nur wenige Tagwerk haben, wird mit kleiner Technik gearbeitet. Aber was heißt schon kleiner, schon die 3m-Saatbeetkombination kann den knapp 200PS-Schlepper gerade an Steigungen gut gebrauchen... und kratzt, mir Saatgut, Frontgewicht und vollem Tank am zulässigen Gesamtgewicht...
Bleibt die Bodenverdichtung. Ist die bei einem modernen Schlepper mit 710er-Bereifung wirklich so viel höher wie beim alten mit 14.9-28, die dafür viel öfter über den Acker fahren müssen... möglicherweise. Beim Mähdrescher geb ich Dir vollkommen Recht. Auch Zuckerrübenvollernter oder Häcksler brauchen schon Zusatzachsen, um StVO-konform unterwegs zu sein.

Bei der Verteilung bin ich mit allerdings nicht sicher. Wir haben hier das Glück, dass es noch mehrere kleine Metzgereien gibt, die auch Mittagstisch anbieten. Aber den lassen sie sich natürlich auch bezahlen.. und zu den nicht verkaufbaren Feldfrüchten: Als ich noch auf einem (größten) Pferdestall unterwegs war, wurden da oft angeboten, Säcke mit Karotten direkt vom Erzeuger kaufen zu können. Diese Karotten waren für die maschinelle Verarbeitung zu groß, aber die Pferde (und deren Besitzer) freuen sich natürlich darüber.
... Dennoch hast Du Recht: wir haben keine Knappheit an Nahrung, wir haben ein Verteilungsproblem...

Elmike
Haagele
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Re: Das Rad etwas zurückdrehen - reicht das?

Post by Haagele »

Ich bin gegen kommunale Massenmensas für die Bevölkerung. Wichtiger wäre Zeit und Information. Ich frage mich immer, was die Nachbarschaft immer in ihre Mülltonnen stopfen, dass die bei jeder einzelnen Leerung rausgestellt werden müssen und teilweise überquellen. Oft sind es auch kleinere Haushalte aus unserer. Wir stellen die Restmülltonne trotz windeln nur halbsooft raus... Wenn jeder mitdenken würde beim Einkauf und der Essenskalkulation, bzw. Reste sinnvoll weiterverwerten würde, hätten wir schon sehr viel gewonnen, bevor wir hier die großen Hammervorschriften einführen. Da bin ich ja noch eher beim vorgeschriebenen Veggi-Day, als bei einer Massenmensa.
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El Narizon
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Re: Das Rad etwas zurückdrehen - reicht das?

Post by El Narizon »

Als ich vor 2 Jahren die Dokumentation über den japanischen Forscher gesehen habe, der hauptsächlich für die Entwicklung und Verbreitung der Nikotinoid-haltigen Insektizide verantwortlich ist, die wiederum innerhalb der letzten 20-30 Jahre die Biomasse an Insekten in den Kulturlandschaften der Erde um bis zu 80 Prozent haben zurück gehen lassen, konnte ich mir nur an den Kopf fassen.

Mittlerweile sind die Nikotinoide in der EU weitestgehend verboten, aber den Schaden ist angerichtet und wird anderswo weiterhin angerichtet.

Ganz ehrlich; wie konnte man so blöd sein und die Bestäuberinsekten mit vernichten? Der Mensch ist so scheissenblöd, dass es knattert.

Das Motto:
Erst den Schaden anrichten, dann zurück rudern.
(Erst schießen, dann Fragen stellen)

In manchen TV-Sendungen wird das Thema schon so nebenbei erwähnt, wie z.B. beim Smalltalk in einer Quizsendung mal einer in der Art sagte "früher musste man spätestens alle 100 km von der Autobahn runterfahren und die Frontscheibe richtig reinigen von all den toten Insekten, heute kann man von Hamburg bis München durchfahren, ohne sich darum Sorgen machen zu müssen."

Das klingt nach mehr als 80 Prozent weniger Insekten. Für mich jedenfalls.

Der Japaner ist übrigens ganz toll stolz auf seine Leistung. Seine Firma gehört heute zu Bayer CropScience K.K.

Vom Monsantodreck ganz zu schweigen, diesen Psychopathen, die ja auch das Agent Orange entwickelt hatten.
Und die Landwirte an der Knute halten, mit Hybridsaatgut, das man von denen kaufen muss, weil die Ernte nicht keimfähig ist. Geistesgestört.


Meine Hoffnung:
K.I. - gesteuerte kleinteilige und effiziente Schwarmsysteme können mit Permakulturen umgehen und z.B. Kulturen nach dem Vorbild der Milpa und Chinampa autark anlegen, pflegen und ernten.
Menschen sind natürlich auch beteiligt,
Das ganze in Forstlandwirtschaft mit Baumreihen als Knicks.

Da auch hier mal Fruchtfolgen berücksichtigt werden müssen, sollten die Abstände zwischen den Baumreihen zu den (Vielfachen der) Breiten von fahrenden Maschinen passen.

Von vertical farming ganz zu schweigen.
Manche sagen "wer lesen kann, ist klar im Vorteil". Viele nutzen dieses Zitat, um sich über andere lustig zu machen, ohne den Inhalt des genutzten Zitats zu verstehen. Und da ist er schon, der ironisch-paradoxe Knackpunkt. Es reicht nicht, nur lesen zu können. Das kann jeder Nicht-Analphabetiker. Den Inhalt verstehen, darum geht es.​
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