Ein bisschen was aus alten Zeiten

User avatar
matador
Posts: 8299
Joined: Sat Jan 05, 2013 12:06 pm
Location: Oberbayern, im Speckgürtel von München ...

Ein bisschen was aus alten Zeiten

Post by matador »

Hallo Leute,

ich habe mir gerade überlegt, ob dieser Thread überhaupt in "Anfängerfragen" gehört. Wahrscheinlich nicht. Aber wo anders erschien er mir auch nicht passender, also habe ich ihn wieder hier eingestellt.

Ich bin ja vermutlich einer der ältesten hier. Immerhin "Baujahr" 1946. Und hatte schon mitten in meiner Volks-(heute Grund-)schulzeit mit Landmaschinen zu tun. In dem Dorf, in dem ich aufwuchs, wurde in den 50er Jahren noch in so gut wie jedem Haus Landwirtschaft betrieben. Auch der Bäcker hatte noch ein paar Kühe im Stall stehen, genauso wie der Maurermeister und sogar den Pfarrer habe ich noch mit seinem Ochsengespann fahren sehen. Und auch meine Eltern hatten eine kleine Landwirtschaft mit 3 Kühen, ein paar Schweinen und 10 Hühnern.

Ich weiß ja nicht, ob Euch alte Geschichten interessieren. Vielleicht aber doch, und da habe ich mir gedacht, ich erzähle Euch ein bisschen was über Landwirtschaft und Landmaschinen aus den Jahren 1955 bis 1968 so wie ich es erlebt habe.

Schon als Kind hatte mich Technik interessiert - bin da auch erblich vorbelastet - und so waren die Traktoren und Maschinen der Bauern schon immer sehr interessant für mich. Etwa ab der 5. Schulklasse durfte ich dann selbst in unserer Landwirtschaft Traktor fahren, aber auch bei den Bauern im Dorf im Sommer nach der Schule oder in den Ferien mithelfen.

Heu-Einbringen geschah in Mitte der 50er Jahre noch folgendermaßen: Wenn das Heu soweit trochen war, dass es eingefahren werden konnte, machte der Bauer Schwaden ("Schlagel") im Abstand von so 6 - 8 mtr. Dann ging es ab mittag mit der ganzen Familie auf's Feld. Hinter dem Traktor meist mehrere Anhänger, zuerst ein oder zwei "Gummiwagen", was halt da war, und dann noch ein oder zwei "Leiterwagen", also alte Wagen für Gespannzug mit Holz-/Eisenbereifung.

Geht noch weiter ...
"Früher war die Zukunft auch besser" (Karl Valentin).
Vielleicht sollten wir das Rad etwas zurückdrehen,
zumindest nicht weiter nach vorne. :hmm:
User avatar
matador
Posts: 8299
Joined: Sat Jan 05, 2013 12:06 pm
Location: Oberbayern, im Speckgürtel von München ...

Re: Ein bisschen was aus alten Zeiten

Post by matador »

Geht weiter:

Dass das mehr als die heute erlaubten zwei Anhänger hinter einer Zugmaschine waren störte niemand. Auf der Wiese fuhr man dann zwischen zwei Schwaden entlang, die kräftigen Männer schoben mit der Gabel die Schwade zu einem Buschen zusammen und "spitzten" den auf den Wagen, auf dem - in der Regel - die Oma stand und das Fuder "faßte". Das "Fuder fassen" war eine verantwortungsvolle Tätigkeit, denn nur ein richtig gefasstes Fuder überstand den Weg von der Wiese zum Hof ohne auseinanderzufallen. Da die Oma das schon lange genug machte, konnte sie das auch gut. Die jüngern bzw. schwächeren Familienmitglieder durften dann "nachrechen". Heißt, das Heu, das beim Aufladen am Boden liegenblieb wieder zusammenrechen, dass es auch aufgeladen werden konnte. Kein Hälmchen durfte auf der Wiese bleiben!

Alle paar Minuten mußte das Fuhrwerk dabei ein Stück weitergefahren werden. Und das war unsere Chance! Traktorfahren war ja für uns Schulbuben keine Arbeit, sondern Vergnügen, und wenn es in der Bauernfamilie niemand gab, der das konnte, aber noch zu klein oder schwach für 'richtige' Arbeit war, dann durften wir aushelfen, und beim Heueinfahren "vürifahren".
Wenn der Bauer seine Spendierhosen anhatte gab es für einen Nachmittag 50 Pfennige, wenn er nicht so freigebig war, ein "Zehnerl" oder zwei davon. Aber auch das war nicht so wenig, wie es sich heute anhört, denn für 10 Pfenige gab es beim Bäcker schon einen "Amerikaner".

Und so hatte ich schon im Alter von 10 bis 13 Jahren Gelegenheit, mit den verschiedensten der damals in unserem Dorf laufenden Traktoren zu fahren.

Geht noch weiter ...
"Früher war die Zukunft auch besser" (Karl Valentin).
Vielleicht sollten wir das Rad etwas zurückdrehen,
zumindest nicht weiter nach vorne. :hmm:
User avatar
matador
Posts: 8299
Joined: Sat Jan 05, 2013 12:06 pm
Location: Oberbayern, im Speckgürtel von München ...

Re: Ein bisschen was aus alten Zeiten

Post by matador »

Geht weiter:

Gerne fuhr ich mit dem Allgaier A22. Davon liefen vier in unserem Dorf. Gerne deshalb, weil bei dem die Kupplung leicht zu treten war. Das war immer der Knackpunkt: "Dertrittst Du auch die Kupplung?" Die Eicher forderten da schon kräftigere Wadenmuskeln, mußte man sich als Bub schon einspreitzen. Dafür mußte man beim Allgaier aufpassen, dass man das Standgas nicht zu niedrig einstellte. Der hatte nämlich keinen eigenen Abstellhebel, sondern man schob nur den Handgashebel ganz zurück, dann schnaufte der Einzylinder aus.

Den Allgaier ankurbeln:

Da gab es zwei Methoden.

Die "Zwei-Mann-Methode": Vorbereitungen wie bei der "Ein-Mann-Methode". Dann wurde der Helfer vor den Traktor gestellt, der "Ankurbler" drehte bei ausgeschalteter Kompression den Motor auf Schwung, und dann "jetzt", schaltete der Helfer die Kompression ein, und der Motor sprang an - wenn alles richtig gemacht worden war.

Die "Ein-Mann-Methode": funktioniert nur bei einem kräftigen "Ankurbler".

Der stehende Motor wird am Schwungrad so gedreht, dass er zwischen den beiden Kompressionspunkten steht. Handgashebel auf Vollgas. Dann am Hebel an der Einspritzpumpe ca. 15 - 20 mal ziehen, Kraftstoff einspritzen. Jetzt den Halter für das "Zündpapier" herausschrauben, neues Zündpapier einsetzen, Halter wieder einschrauben. Da war die Reihenfolge wichtig. Setzte man zuerst das neue Zündpapier ein und spritzte dann ein, war das Zündpapier nass und zündete nicht mehr.
Jetzt den Motor am Schwungrad entgegen der Laufrichtung bis zum Kompressionspunkt drehen. Die Kurbel einsetzen und mit beiden Händen die Kurbel im "Affengriff" fassen. Nocheinmal tief Luft holen und dann mit aller Kraft drehen. Der Ankurbler hatte dann ungefähr 1 1/2 Umdrehungen Zeit, dem Motor soviel Schwung zu geben, dass er ihn über den Kompressionspunkt brachte und der Motor ansprang. Des Problem war nämlich nur das, dass der Dekompressionshebel soweit von der Kurbel weg war, dass ihn der Ankurbler nicht umlegen konnte.

Der "Affengriff": Beim Umfassen der Kurbel liegt der Daumen auf der Seite der anderen Finger. Sehr wichtig, dann wenn man den Motor nicht über den Kompressionspunkt bringt, sondern der "zurückschlägt", dann bleibt der Daumen bei dieser Methode dran. Wenn man die Kurbel "normal" anpackte, also Daumen und Finger bilden einen Ring, dann konnte man bei einer solchen Gelegenheit seinen Daumen verlieren.

Geht nocheinmal weiter ...
"Früher war die Zukunft auch besser" (Karl Valentin).
Vielleicht sollten wir das Rad etwas zurückdrehen,
zumindest nicht weiter nach vorne. :hmm:
User avatar
matador
Posts: 8299
Joined: Sat Jan 05, 2013 12:06 pm
Location: Oberbayern, im Speckgürtel von München ...

Re: Ein bisschen was aus alten Zeiten

Post by matador »

Geht weiter:

Aber wir waren ja beim Heu-Einfahren.

Wenn alle Fuder aufgeladen waren, die Wiesbäume (langer Rundbalken, der das Fuder zusammenhalten soll) oben auf dem Fuder und mit Seilen nach unten befestigt waren, konnte es nach Haus gehen. Die Wagen wurden zusammengehängt und langsam ins Dorf gezogen. Da war es eine Image-frage, mit wie vielen Wagen man zurückkam, und ob die Fuder sauber gefasst waren und ganz blieben, bis man auf dem Hof angekommen war. Dem Bauern, dem kurz vor seinem Hof auf der Straße durchs Dorf das Fuder auseinanderfiel, war der Spott für die nächsten 14 Tage sicher.

Was lief sonst noch zu dieser Zeit an Traktoren in unserem Dorf:

Eicher 16 und 19 PS,
Hanomag 16 und 19 PS (Zweizylinder-Viertakt) in anderen Dörfern R28 (Vierzylinder-Viertakt) sowie
Hanomag R12 und R24 (Ein- bzw. Zweizylinder-Zweitakt),
Normag (Einzylinder-Zweitakt),
Alpenland = komme ich später nocheinmal darauf zurück, sehr interessantes Konzept,
Fendt F18 (Einzylinder liegend)
Fendt andere Typen, Wasser- oder luftgekühlt mit Deutz oder MWM-Motor, Ein- und Zweizylinder,
McCormik, z.B. 3-Zyl.-22 PS
Lanz Glühkopf und der Nachfolger, der "Schmale",
drei Unimog 25 PS, zwei davon hatte der "Milchfahrer", mit dem geschlossenen fuhr er die Milch, mit dem Cabrio fuhr er aufs Feld.
Allgaier-Porsche 14 PS Einzylinder wassergekühlt und AP 17 = 17 PS Zweizylinder luftgekühlt.
um jetzt nur die wichtigsten zu nennen.

Bis dann 1956 oder 1957 der erste Schlepper neuer Bauart ins Dorf kam:
Fergusson FE 35 mit dem Vierzylinder-Standard-Motor.

Für den Moment schließe ich, bei Interesse gerne mehr.

matador
"Früher war die Zukunft auch besser" (Karl Valentin).
Vielleicht sollten wir das Rad etwas zurückdrehen,
zumindest nicht weiter nach vorne. :hmm:
User avatar
Meckel34
Posts: 2141
Joined: Thu Sep 04, 2008 9:19 pm
Location: Twistetal
Contact:

Re: Ein bisschen was aus alten Zeiten

Post by Meckel34 »

Liest sich sehr gut und ist sehr interessant! Bitte mehr davon...
MfG
Meckel34

Alle LS- Versionen, alle DLC's, alles 2x. Mobil LS 14, 16, DC, SRS
elmike
Posts: 3398
Joined: Sat Oct 30, 2010 9:57 pm

Re: Ein bisschen was aus alten Zeiten

Post by elmike »

Hallo,

ja, sowas lese ich auch gerne! =)

elmike
User avatar
matador
Posts: 8299
Joined: Sat Jan 05, 2013 12:06 pm
Location: Oberbayern, im Speckgürtel von München ...

Re: Ein bisschen was aus alten Zeiten

Post by matador »

Na dann noch eines:

Das Alpenland-Konzept.

Wie der Erbauer der "Alpenland"-Schlepper hieß weiß ich nicht, nur dass die in Wolfratshausen südlich von München gebaut wurden. Angefangen hatte es damit, dass der Alpenland-Mann ausgemusterte Militärfahrzeuge zerlegte und die Getriebe und die lenkbaren Antriebsachsen in seine Schlepper einbaute. Nur kurze Zeit später wurden es dann richtig nette Schlepper mit einem angepaßten Schleppergetriebe. Wie der Getriebehersteller hieß weiß ich auch nicht mehr, nur dass die Firma in Augsburg gesessen sein soll.

Das Besondere der Alpenland-Schlepper war die Vierradlenkung. Die Schlepper hatten aber nur Hinterradantrieb. Die Hinterräder lenkten jedoch nicht gegensätzlich zu den Vorderrädern, sondern in die gleiche Richtung. Damit der Wendekreis trotzdem praktikabel blieb, schlugen die Vorderräder sehr weit und die Hinterräder etwas weniger weit ein. So fuhr der Alpenland im "Hundegang" um die Kurve. Warum jetzt das ganze?

1. Vorteil: auch wenn sich der Schlepper bei schwerer Zugarbeit aufbäumte blieb er lenkbar, da man ja auch mit den Hinterrädern lenkte. Und das Aufbäumen der leichten Schlepper war damals an der Tagesordnung. Aber das Alpenland-Konzept ging noch weiter:

2. zum Alpenland-Konzept gehörte ein angepaßter Einachs-Anhänger. Der hatte eine spezielle Rohr-Deichsel mit Anhängeöse vorne. Der Schlepper hatte hinten einen mechanischen Kraftheber, dessen Hauptteil ein Rohr war, in das die Rohrdeichsel des Anhängers paßte. Dieses Rohr hatte zwei Positionen für den Anhängebolzen. Hinten, um einen Anhänger normal anzuhängen, und vorne um die Rohrdeichsel im Rohr zu befestigen. So konnte der Anhänger starr mit dem Schlepper verbunden werden. Jetzt wurde der Kraftheber betätigt und der Schlepper hob die Vorderräder in die Luft. Dadurch lastete jetzt nicht nur das ganze Eigengewicht des Schleppers auf der Hinterachse, sondern durch die Hebelwirkung wurde auch noch ein Teil des Anhängergewichtes auf die Hinterräder des Schleppers verlagert. Da die Hinterräder ja lenkten, konnte so dann mit guter Zugkraft gut gefahren werden. In unserem Dorf hatte aber niemand den Alpenland-Anhänger, die Schlepper wurden ganz normal eingestzt.

An dem Kraftheber war auch eine kurze Ackerschine angebracht, so dass alle üblichen Geräte angehängt werden konnten. Darüber hinaus hatte der Alpenland wie ich ihn kenne als Baujahr 1950 (!) bereits eine unabhängige Zapfwelle. War aber eigentlich ein Abfallprodukt. Da der normale Zapfwellenantrieb für den Kraftheber gebraucht wurde, wurde dem Motor vorne über zwei Keilriemen nocheinmal Kraft für Zapfwelle und Riemenscheibe abgenommen. Die beiden in unserem Dorf laufenden Alpenland waren Einzylinder mit 15 PS, es gab aber auch stärkere. Ich erinnere mich dunkel an einen Zweizylinder mit dann 24 PS in einem anderen Dorf.

matador
"Früher war die Zukunft auch besser" (Karl Valentin).
Vielleicht sollten wir das Rad etwas zurückdrehen,
zumindest nicht weiter nach vorne. :hmm:
User avatar
matador
Posts: 8299
Joined: Sat Jan 05, 2013 12:06 pm
Location: Oberbayern, im Speckgürtel von München ...

Re: Ein bisschen was aus alten Zeiten

Post by matador »

Vom Mäh-Binder zum Mäh-Drescher.

So Mitte der 50er Jahre gab es in unserem Dorf noch zwei Mähbinder. Vielleicht gab es auch noch mehr, aber ich weiß nur von diesen zweien. Sprachlich waren es die "Gemeindebinder", gehörten also entweder der Gemeinde oder vielleicht auch der örtlichen Raiffeisenbank. Auf alle Fälle konnten die Bauern im Dorf diese Binder ausleihen, um ihr Getreide zu mähen. Der eine Binder war ein Fabrikat "Fahr", der andere ein "Fella". Unpraktischerweise hatte der Fahr das Schneidwerk rechts, der Fella aber links, so dass die beiden Binder nicht am gleichen Acker hintereinander herfahren konnten.

Der Binder hatte ein Schneidwerk mit Messerbalken, darüber eine Haspel und am Mähtisch ein Einzugstuch (So wie auch der gezogene Mähdrescher Claas Super). Dann wurden die Getreidehalme schräg nach oben gezogen und fielen auf der anderen Seite auf der gleichen Schräge wieder herunter in die Bindevorrichtung. Wie bei einer Strohpresse. Die fertige Garbe (= Büschel) fiel dann auf's Feld. Die Garben wurden dann von Hand zu "Mandeln" zusammengestellt, damit sie noch weiter trocknen konnten. Wenn die Garben genug getrocknet waren, wurden Sie aufgeladen und eingefahren.

Im Herbst oder Winter, wenn die andere Arbeit alles getan war, wurde dann mit dem Dreschwagen gedroschen. Ganz früher - habe ich selbst nicht mehr gesehen - mit einer Dampf-Lokomobile, später dann entweder von einem Elektromotor angetrieben oder eben von einem Schlepper über die Riemenscheibe. Und eine Riemenscheibe gehörte in den 50er Jahren zur Standardausrüstung eines jeden Schleppers. Es war eine richtige Drecksarbeit. Die Garben aus der Scheune holen, ungefähr 2,5 mtr. hoch "spitzen" auf den Dreschwagen, wo ein Mann stand, der die Bindeschnüre aufschnitt und die Getreidehalme in die Maschine ließ. Unten mußten andere Leute das Stroh wegschaffen und wieder andere das Getreide absacken und die Säcke wegschaffen. Da der Dreschwagen stand, mußte alles andere hin- und wieder weggebracht werden. Dabei wurden immer mehr Leute gebraucht, als auf einem Hof da waren, so dass in der Dreschzeit mit dem Dreschwagen und der Arbeitsgruppe von einem Hof zum anderen gezogen wurde. Das Dreschen mit dem Dreschwagen habe ich noch gesehen, und würde mir auch heute noch zutrauen, nur der Tonhöhe der "singenden" Dreschmaschine nach am Gashebel des Schleppers die richtige Drehzahl einzustellen... :biggrin2:

Geht noch weiter ...
"Früher war die Zukunft auch besser" (Karl Valentin).
Vielleicht sollten wir das Rad etwas zurückdrehen,
zumindest nicht weiter nach vorne. :hmm:
User avatar
matador
Posts: 8299
Joined: Sat Jan 05, 2013 12:06 pm
Location: Oberbayern, im Speckgürtel von München ...

Re: Ein bisschen was aus alten Zeiten

Post by matador »

Geht weiter:

Dann kamen langsam die Mähdrescher auf. Wir hatten Verwandte östlich von München, wo die Bauern etwas mehr Geld hatten als in unserer Gegend. Dort habe ich dann so ungefähr 1953/1954 den ersten Mähdrescher gesehen. Es war ein gezogener Claas Super. Und auf den flachen Feldern dort konnte der gut eingesetzt werden.

Bei uns waren die Felder kleiner und das Gelände hügeliger, also für einen "Gezogenen" nicht so geeignet. Und so kam dann bei uns ungefähr 1956 der erste Mähdrescher in den Betrieb, mit dem auch das Lohnunternehmen entstand. Der Mähdrescher war ein Massey-Harris 630. (ein paar Jahre später wurde aus Ferguson und Massey-Harris Massey-Ferguson). Der MH 630 hatte 1,6 mtr. Schnittbreite, 60 cm Trommelbreite und wurde von einem VW-Käfer-Motor angetrieben. Es kann sich jetzt sicher jeder vorstellen, wie "groß" dieser Mähdrescher war.

Doch die Bauern standen um den Mähdrescher herum und diskutierten darüber, ob sie so ein Unikum überhaupt auf ihren Acker fahren lassen sollten. Ließen sie aber dann doch. Und deshalb kam schon im nächsten Jahr der nächste MH 630 und wieder ein Jahr darauf der erste MH 685 in den Betrieb. Der MH 685 hatte 2,5 mtr. Schnittbreite, 80 cm Trommelbreite und wurde von einem 6-Zylinder-Austin-Benzinmotor mit 56 PS angetrieben. Wieder ein Jahr später kam der nächste 685er. Auf dem stand jetzt aber schon Massey-Ferguson und er hatte einen Perkins-Diesel-Motor mit 64 PS.

Geht noch weiter ...
"Früher war die Zukunft auch besser" (Karl Valentin).
Vielleicht sollten wir das Rad etwas zurückdrehen,
zumindest nicht weiter nach vorne. :hmm:
User avatar
matador
Posts: 8299
Joined: Sat Jan 05, 2013 12:06 pm
Location: Oberbayern, im Speckgürtel von München ...

Re: Ein bisschen was aus alten Zeiten

Post by matador »

Geht weiter:

So ein Mähdrescher kostet ja eine Menge Geld und kann nur ein paar Wochen im Jahr Geld verdienen. Deshalb suchte man nach Möglichkeiten die Mähdrescher besser auszulasten. Wir hatten ja die Verbindungen in den Münchner Osten, wo aufgrund der klimatischen Bedingungen das Getreide 3 bis 4 Wochen eher reif war als bei uns. Und so zogen wir dann jedes Jahr mit unseren Maschinen Ende Juli/Anfang August in das Gebiet östlich von München und nach 3 bis 4 Wochen wieder zurück.

Mittlerweile gab es aber dort nicht nur Gezogene, sondern auch jede Menge Selbstfahrer. Alle möglichen Fabrikate, Ködel & Böhm, Mc.Cormik, Fahr usw. und natürlich Claas. Und der König auf den Feldern war damals der Claas "SF", genannt "Herkules". Der Herkules hatte 2,6 mtr. Schnittbreite, aber 100 cm Trommelbreite und konnte daher ganz anders "schlucken", als der 685er. Die Motoren waren übrigens die selben. Verglichen wurden aber immer die Schnittbreiten.

Und unter den jungen Fahrern in der Landwirtschaft herrscht ja ein gesundes Konkurrenzdenken. (Wenn ich mir manche Slogans hier anschaue, ist es heute auch nicht anders ... :biggrin2: ). Wenn man also auf dem Nachbarfeld einen anderen Mähdrescher hatte, wurde schon geschaut, wer die Feldlänge schneller erledigt hatte und als erster wieder in die andere Richtung fuhr. Wie gesagt, die anderen Fabrikate waren da nicht so zu fürchten, nur gegen den Herkules hatte man mit dem 685er keine Chance. Der einzige damals, der dem Herkules Paroli bieten konnte, war der New Holland Clayson.

Geht noch weiter ...
"Früher war die Zukunft auch besser" (Karl Valentin).
Vielleicht sollten wir das Rad etwas zurückdrehen,
zumindest nicht weiter nach vorne. :hmm:
User avatar
matador
Posts: 8299
Joined: Sat Jan 05, 2013 12:06 pm
Location: Oberbayern, im Speckgürtel von München ...

Re: Ein bisschen was aus alten Zeiten

Post by matador »

Geht weiter:

In unserem angestammten Gebiet verlief die Entwicklung etwas anders. Ein Teil der Bauern ließ von uns lohndreschen, ein anderer kaufte sich selbst Mähdrescher. Meistens taten sich da zwei zusammen und kauften einen Mähdrescher. Sehr oft gekauft wurde so um 1960 herum der Lanz MD 18. Die Lanz-Mähdrescher waren damals noch gelb und erhielten erst etwas später das John-Deere-Grün. Der MD 18 hatte 1,8 mtr. Schnittbreite und als Antrieb den Mercedes-Motor aus dem Unimog, mit ca. 25 - 30 PS. Es gab auch größere Lanz-Typen, ich glaube, sie hießen dann MD 25, MD 35. Sicher weiß ich den MD 40, von dem einer im Nachbardorf lief. Der war dann schon John-Deere-Grün. Der MD 40 fiel auch in die "große" Klasse wie der Claas Herkules, hatte auch den 64-PS-Perkins-Motor - und fuhr auch den 685er in Grund und Boden.

Wir hatten zwischenzeitlich noch einen dritten 685er und einen Massey-Harris 890 gebraucht gekauft. Der MH 890 hatte jetzt endlich eine Leistung ähnlich dem Herkules, doch hatte er eine wirklich vorsintflutliche Technik. Angetrieben wurde er von einem 66-PS-Chrysler-Benzinmotor. Der große Mähdrescher hatte noch keine Hydraulikanlage. Das Schneidwerk wurde elektrisch gehoben oder gesenkt, alles andere mit Muskelkraft bedient. Die Höchstgeschwindigkeit auf der Straße betrug 12 km/h! Allerdings hatte der MH 890 eine Besonderheit: Der Motor saß ganz unten im Fahrgestell, direkt hinter der Vorderachse. Da war er zwar nicht besonder gut zugänglich, aber der Schwerpunkt der Maschine lag dadurch so tief, dass auch bei straken Hanglagen kein Kippen der Maschine zu befürchten war.

Dies Maschinen waren ursprünglich alle mit Absackstand gekauft worden. Hieß, auf dem Mähdrescher mußt ein Helfer mitfahren, der das Getreide sofort in Säcke füllte und die zuband. Vom Mähdrescher aus wurden dann die Säcke auf den am Feld stehenden Wagen umgeladen. Da dies sehr bald nicht mehr zeitgemäß war, die Absack-Maschinen aber auch praktisch unverkäuflich waren, wurden sie mit Korntankaufbauten nachgerüstet. Nur die beiden 630er nicht. Einer blieb als Faktotum im Betrieb, der andere wurde verkauft.

Geht noch weiter ...
"Früher war die Zukunft auch besser" (Karl Valentin).
Vielleicht sollten wir das Rad etwas zurückdrehen,
zumindest nicht weiter nach vorne. :hmm:
User avatar
matador
Posts: 8299
Joined: Sat Jan 05, 2013 12:06 pm
Location: Oberbayern, im Speckgürtel von München ...

Re: Ein bisschen was aus alten Zeiten

Post by matador »

Geht weiter:

Dann kam der Claas Matador auf den Markt. Im Prinzip war der Matador eine Weiterentwicklung des Herkules. Den Matador gab es in zwei Versionen. Als "Standard" hatte er wieder 2,6 mtr. Schnittbreite und den 64 PS-Perkins-Motor, war eigentlich nichts anderes als ein modernisierter Herkules. Als "Gigant" hatte er jetzt 3,0 mtr. Schnittbreite, einen 87-PS-Perkins-Motor und einen größeren Korntank mit 2.000 Ltr. (= ca. 1.500 kg.Weizen) Inhalt. Und jetzt zog auch ein Claas in unseren Maschinenpark ein. :biggrin2:

Wie schon geschrieben wurden von den Bauern bei uns damals einige Lanz-Drescher gekauft. Aber auch ein paar kleine Claas liefen. Der "Columbus" war in etwa mit dem MH 630 vergleichbar, hatte auch den VW- Motor als Antrieb. Dann stockte Claas auf und machte aus dem Columbus den "Europa". Der hatte jetzt 2,1 mtr. (glaube ich) Schnittbreite und auch den Unimog-Motor als Antrieb. Hier wurde schon einmal geschrieben, er habe einen Perkins-Motor gehabt. Das kann sein, ev. hat Claas später einen anderen Motor aufgebaut. Das große Manko dieser Typen war, dass die Dreschmaschine nicht in der Mitte des Schneidwerks saß. Schon beim Columbus war das so, da Claas den Motor auf der rechten Seite hatte, und den Riemenantrieb ebenfalls noch rechts von der Dreschmaschine, so dass die aus der Mitte nach links rücken mußte, damit alles Platz hatte.
Als dann der Europa kam und der Mercedes-Motor auf der rechten Seite nocheinmal mehr Platz brauchte, rückte die Dreschmaschine im Verhältnis zum Schneidwerk nocheinmal nach links. Nun fährt man ja in der Regel so, dass der Bestand rechts und die abgeerntete Fläche links ist, und durch den seitlichen Versatz mußte praktisch das ganze Erntegut von der rechten Seite nach links in die Dreschmaschine gezogen werden, was zu einer ungleichen Zufuhr führte und die Leistung nicht positiv beeinflußte.

Geht nocheinmal weiter:
"Früher war die Zukunft auch besser" (Karl Valentin).
Vielleicht sollten wir das Rad etwas zurückdrehen,
zumindest nicht weiter nach vorne. :hmm:
User avatar
matador
Posts: 8299
Joined: Sat Jan 05, 2013 12:06 pm
Location: Oberbayern, im Speckgürtel von München ...

Re: Ein bisschen was aus alten Zeiten

Post by matador »

Geht weiter:

Aber Claas setzte nocheinmal einen drauf und brachte nach dem selben Konstruktionsprinzip den "Merkur". Schnittbreite jetzt (glaube ich) 2,5 mtr. Motor jetzt Perkins.

Die Claas der 50er und anfänglichen 60er Jahre hatten durchgehend eine rustikale, um nicht zu sagen brutale Technik. Was vielleicht doch ihren Erfolg begründete. Am Claas war alles größer und schwerer dimensioniert als bei anderen Fabrikaten. Ein bisschen wie bei Harley-Davidson: Hubraum ist durch nichts zu ersetzen, ausser durch noch mehr Hubraum...
So hatte der Herkules zwar schon ein abschaltbares Schneidwerk, doch nicht durch Reibungskupplung oder einen spannbaren Riemen, sondern eine mit schrägen Gleitflächen versehene Klauenkupplung stellte die Verbindung her. Wenn der Fahrer das Schneidwerk wieder einschaltete, dann tat es einen Schlag, und das Schneidwerk lief, wurde von einem Moment zum anderen von 0 auf 100 % beschleunigt. Elegant ist anders.
Erst der Matador hatte dann als Schneidwerksantrieb einen Keilriemen, der zum Abschalten entspannt wurde.

Nach dem ersten Matador kam nocheinmal ein MF in unseren Betrieb, ein MF 99. Der war die übernächste Version des MH 890, nach dem gleichen Prinzip aufgebaut, wieder mit dem Motor unten im Fahrgestell, jetzt aber mit allem, was einen modernen Mähdrescher ausmachte, Hydraulik, Servolenkung usw.

Nach diesem MF 99 kam noch ein zweiter Matador und damit auch gleich der letzte neue Mähdrescher in unseren Betrieb. Ein paar Jahre später wurde dann das Lohnunternehmen im ganzen aufgegeben und die Maschinen verkauft.

matador
"Früher war die Zukunft auch besser" (Karl Valentin).
Vielleicht sollten wir das Rad etwas zurückdrehen,
zumindest nicht weiter nach vorne. :hmm:
ViperX7777
Posts: 24
Joined: Fri Jan 24, 2014 2:01 pm

Re: Ein bisschen was aus alten Zeiten

Post by ViperX7777 »

Hallo Matador,

das sind wirklich interessante Geschichten von früher. Liest sich genauso gut wie deine anderen Berichte zum Spielfortschritt.
Ich lese solche Erfahrungsberichte immer gerne!
Ich hoffe, dass ich meine Vision von einigen Nostalgiegeräten irgendwann mal realisieren kann. Das wäre eine tolle Abwechslung nach Feierabend etwas zu Schrauben. Ein alter Traktor und ein Motorradgespann würden bei mir an erster Stelle stehen. Ein Kumpel hat mich mit seiner Ural mit Beiwagen etwas angefixt.
Hast Du heute noch praktisch mit sowas zu tun oder nur noch im Simulator?

Grüße aus Köln
Maeks

Re: Ein bisschen was aus alten Zeiten

Post by Maeks »

@matador
Was dir noch fehlt ist ein Niemeyer Sternradschwader. Schade das es sowas noch nicht als Mod gibt.
Ich meine sowas: http://www.landwirt.com/ez/index.php/kl ... age/299109

P.s. Ich bin mit sowas schon gefahren.
Gruß Maeks
Post Reply